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Los
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Tafelbüchlein
Kloster Polling, um 1500
Buchenholztafeln, Pergament, Wachs. Inventaretikett "185". Besch., eine Tafel lose. 17 x 9 cm.
Acht bogenförmig abschließende, zu einem Büchlein verbundene Holztafeln mit beschriebenen Pergament- und Wachstafeleinlagen. Lateinischer Text mit deutschen Einsprengseln in Minuskelschrift. Buchrücken mit ornamental geprägten Ledereinband.
Wachstafeln, d.h. mit Wachs beschichtete hochrechteckige Holztafeln, wurden seit der Antike bis hinein in das Spätmittelalter für Aufzeichnungen verschiedenster Art verwendet. Dabei konnten einzelne Tafeln mittels unterschiedlicher Bindungen zu Büchern verbunden werden. Aus dem Spätmittelalter haben sich mehrere Wachstafelbücher erhalten, bei denen in der Regel auf gegenüberliegenden Seiten Pergamentstreifen sowie eine Wachsschicht eingelassen war. So konnten dauerhaften Einträgen überschreibbare aktuelle Notizen gegenübergestellt werden. Bei vorliegendem Büchlein ist jede der bogenförmig abschließenden Innentafeln durch einen Steg in zwei eingetiefte Felder unterteilt. In das linke ist Pergament eingelassen, das rechte ist mit durch Holzkohle geschwärztem Wachs ausgefüllt, das mehrere Notizen in hellerer Schrift aufweist. Die Aufzeichnungen der Pergamentstreifen weisen darauf hin, dass es sich hier um das Manual eines Kellermeisters (Cellerar) von Kloster Polling bei Weilheim handelt. Das im 8. Jahrhundert gegründete Kloster besaß bis zur Säkularisation verschiedene Liegenschaften in Tirol, die an das Kloster jährliche Abgaben zu leisten hatten und den Messwein für das Kloster lieferten. So umfasste etwa der im 12. Jh. als Schenkung überlassene "Pollinger Hof" im heutigen Meraner Stadtteil Untermais zwei Weingärten, die durch einen sog. "Baumann" als Pächter bewirtschaftet wurden. Das Manualbuch führte der Cellerar zur Kontrolle der Weingüter und ihrer Abgaben auf seiner jährlichen Reise nach Tirol mit: Güter befanden sich u.a. in Leutasch, Innsbruck, Klausen bis nach Meran und Umgebung. Jedes Weingut hatte dem Kloster dabei ein bestimmtes Quantum Wein abzugeben, das in Yhrn gemessen wurde. Dabei entsprach 1 Tiroler Yhre etwa 78 Litern. Aus Kloster Polling haben sich zwei weitere ähnlich große Wachstafelbüchlein aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erhalten, die sich heute im Bayerischen Nationalmuseum München (Bibl. 3613) und im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München (KL Polling 1b) befinden und sich inhaltlich ebenfalls auf die Abgaben der Klostergüter beziehen. Sprachlich ist besonders das von Sighart transkribierte Exemplar des Bayerischen Nationalmuseums vergleichbar, während das Exemplar des Hauptstaatsarchivs in Deutsch abgefasst ist. Bereits im späten 19. Jahrhundert scheinen derartige Büchlein dabei als typologische Rara betrachtet worden zu sein, denn der Theologe und Kunsthistoriker Joachim Sighart hebt 1864 in seinem Beitrag zum Exemplar des Bayerischen Nationalmuseums hervor, dass dieses "zu den größten Seltenheiten gehören dürfte". Wie das Wachstafelbüchlein in den Besitz von Albert Figdor kam, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Im Zuge der Säkularisation von 1803 wurde die Pollinger Klosterbibliothek aufgelöst, wobei die wertvollsten Bestände in die Münchener Hofbibliothek überführt wurden, vieles wohl aber verstreut wurde. Das heute im Bayerischen Nationalmuseum verwahrte Wachstafelbuch hatte Sighart aus der "Erbauungsbibliothek einer jungen Dienstmagd" erworben.
Zu den Wachstafelbüchlein aus Kloster Polling vgl.: Wattenbach, Wilhelm, Das Schriftwesen im Mittelalter, Leipzig 1871, S. 73 Rockinger, Ludwig von: Zum baierischen Schriftwesen im Mittelalter 1. Bayerische Akademie der Wissenschaften. Historische Klasse: Abhandlungen der Historischen Klasse der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften 12,1. München 1872, S. 1-72, hier: S. 8f. Sighart, Joachim, Ein Wachstafelbuch aus dem Kloster Polling, in: Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, II. Classe, Band 9, II. Abtheilung. München 1864, S. 343-356 (zum Wachstafelbuch des Bayerischen Nationalmuseums) Büll, Reinhard, Das große Buch vom Wachs. München 1977, hier: S. 790 Weniger, Matthias, Die Büchersammlung des Bayerischen Nationalmuseums und die Bibliothek des Martin Joseph von Reider, in: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst Bd. 62. München 2011, S. 203-235, hier: S. 214
Provenienz: Sammlung Figdor Nr. 185 - seither im Besitz der Familie.
A wax tablet
Polling Abbey, circa 1500
Beechwood tablets, parchment, wax. Inventory label "185". Damaged, one tablet loose.
Acht bogenförmig abschließende, zu einem Büchlein verbundene Holztafeln mit beschriebenen Pergament- und Wachstafeleinlagen. Lateinischer Text mit deutschen Einsprengseln in Minuskelschrift. Buchrücken mit ornamental geprägten Ledereinband.
Cf. for the wax tablets from the Polling Abbey:Wattenbach, Wilhelm, Das Schriftwesen im Mittelalter, Leipzig 1871, page 73Rockinger, Ludwig von: Zum baierischen Schriftwesen im Mittelalter 1. Bayerische Akademie der Wissenschaften. Historische Klasse: Abhandlungen der Historischen Klasse der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften 12,1. Munich 1872, pages 1-72, here: page 8f.Sighart, Joachim, Ein Wachstafelbuch aus dem Kloster Polling, in: Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, II. Classe, volume 9, II. Abtheilung. Munich 1864, pages 343-356 (on the wax tablet of the Bavarian National Museum).Büll, Reinhard, Das große Buch vom Wachs. Munich 1977, here: page 790Weniger, Matthias, Die Büchersammlung des Bayerischen Nationalmuseums und die Bibliothek des Martin Joseph von Reider, in: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst Bd. 62. Munich 2011, pages 203-235, here: page 214
Provenienz: collection of Figdor number 185 - owned by the family since then.
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Tafelbüchlein
Kloster Polling, um 1500
Buchenholztafeln, Pergament, Wachs. Inventaretikett "185". Besch., eine Tafel lose. 17 x 9 cm.
Acht bogenförmig abschließende, zu einem Büchlein verbundene Holztafeln mit beschriebenen Pergament- und Wachstafeleinlagen. Lateinischer Text mit deutschen Einsprengseln in Minuskelschrift. Buchrücken mit ornamental geprägten Ledereinband.
Wachstafeln, d.h. mit Wachs beschichtete hochrechteckige Holztafeln, wurden seit der Antike bis hinein in das Spätmittelalter für Aufzeichnungen verschiedenster Art verwendet. Dabei konnten einzelne Tafeln mittels unterschiedlicher Bindungen zu Büchern verbunden werden. Aus dem Spätmittelalter haben sich mehrere Wachstafelbücher erhalten, bei denen in der Regel auf gegenüberliegenden Seiten Pergamentstreifen sowie eine Wachsschicht eingelassen war. So konnten dauerhaften Einträgen überschreibbare aktuelle Notizen gegenübergestellt werden. Bei vorliegendem Büchlein ist jede der bogenförmig abschließenden Innentafeln durch einen Steg in zwei eingetiefte Felder unterteilt. In das linke ist Pergament eingelassen, das rechte ist mit durch Holzkohle geschwärztem Wachs ausgefüllt, das mehrere Notizen in hellerer Schrift aufweist. Die Aufzeichnungen der Pergamentstreifen weisen darauf hin, dass es sich hier um das Manual eines Kellermeisters (Cellerar) von Kloster Polling bei Weilheim handelt. Das im 8. Jahrhundert gegründete Kloster besaß bis zur Säkularisation verschiedene Liegenschaften in Tirol, die an das Kloster jährliche Abgaben zu leisten hatten und den Messwein für das Kloster lieferten. So umfasste etwa der im 12. Jh. als Schenkung überlassene "Pollinger Hof" im heutigen Meraner Stadtteil Untermais zwei Weingärten, die durch einen sog. "Baumann" als Pächter bewirtschaftet wurden. Das Manualbuch führte der Cellerar zur Kontrolle der Weingüter und ihrer Abgaben auf seiner jährlichen Reise nach Tirol mit: Güter befanden sich u.a. in Leutasch, Innsbruck, Klausen bis nach Meran und Umgebung. Jedes Weingut hatte dem Kloster dabei ein bestimmtes Quantum Wein abzugeben, das in Yhrn gemessen wurde. Dabei entsprach 1 Tiroler Yhre etwa 78 Litern. Aus Kloster Polling haben sich zwei weitere ähnlich große Wachstafelbüchlein aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erhalten, die sich heute im Bayerischen Nationalmuseum München (Bibl. 3613) und im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München (KL Polling 1b) befinden und sich inhaltlich ebenfalls auf die Abgaben der Klostergüter beziehen. Sprachlich ist besonders das von Sighart transkribierte Exemplar des Bayerischen Nationalmuseums vergleichbar, während das Exemplar des Hauptstaatsarchivs in Deutsch abgefasst ist. Bereits im späten 19. Jahrhundert scheinen derartige Büchlein dabei als typologische Rara betrachtet worden zu sein, denn der Theologe und Kunsthistoriker Joachim Sighart hebt 1864 in seinem Beitrag zum Exemplar des Bayerischen Nationalmuseums hervor, dass dieses "zu den größten Seltenheiten gehören dürfte". Wie das Wachstafelbüchlein in den Besitz von Albert Figdor kam, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Im Zuge der Säkularisation von 1803 wurde die Pollinger Klosterbibliothek aufgelöst, wobei die wertvollsten Bestände in die Münchener Hofbibliothek überführt wurden, vieles wohl aber verstreut wurde. Das heute im Bayerischen Nationalmuseum verwahrte Wachstafelbuch hatte Sighart aus der "Erbauungsbibliothek einer jungen Dienstmagd" erworben.
Zu den Wachstafelbüchlein aus Kloster Polling vgl.: Wattenbach, Wilhelm, Das Schriftwesen im Mittelalter, Leipzig 1871, S. 73 Rockinger, Ludwig von: Zum baierischen Schriftwesen im Mittelalter 1. Bayerische Akademie der Wissenschaften. Historische Klasse: Abhandlungen der Historischen Klasse der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften 12,1. München 1872, S. 1-72, hier: S. 8f. Sighart, Joachim, Ein Wachstafelbuch aus dem Kloster Polling, in: Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, II. Classe, Band 9, II. Abtheilung. München 1864, S. 343-356 (zum Wachstafelbuch des Bayerischen Nationalmuseums) Büll, Reinhard, Das große Buch vom Wachs. München 1977, hier: S. 790 Weniger, Matthias, Die Büchersammlung des Bayerischen Nationalmuseums und die Bibliothek des Martin Joseph von Reider, in: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst Bd. 62. München 2011, S. 203-235, hier: S. 214
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Polling Abbey, circa 1500
Beechwood tablets, parchment, wax. Inventory label "185". Damaged, one tablet loose.
Acht bogenförmig abschließende, zu einem Büchlein verbundene Holztafeln mit beschriebenen Pergament- und Wachstafeleinlagen. Lateinischer Text mit deutschen Einsprengseln in Minuskelschrift. Buchrücken mit ornamental geprägten Ledereinband.
Cf. for the wax tablets from the Polling Abbey:Wattenbach, Wilhelm, Das Schriftwesen im Mittelalter, Leipzig 1871, page 73Rockinger, Ludwig von: Zum baierischen Schriftwesen im Mittelalter 1. Bayerische Akademie der Wissenschaften. Historische Klasse: Abhandlungen der Historischen Klasse der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften 12,1. Munich 1872, pages 1-72, here: page 8f.Sighart, Joachim, Ein Wachstafelbuch aus dem Kloster Polling, in: Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, II. Classe, volume 9, II. Abtheilung. Munich 1864, pages 343-356 (on the wax tablet of the Bavarian National Museum).Büll, Reinhard, Das große Buch vom Wachs. Munich 1977, here: page 790Weniger, Matthias, Die Büchersammlung des Bayerischen Nationalmuseums und die Bibliothek des Martin Joseph von Reider, in: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst Bd. 62. Munich 2011, pages 203-235, here: page 214
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https://www.m2logistik.de (International)
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https://kunstsped.de (National)
https://moviiu.com/de (Paintings International)
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Hinweis: Für Lots mit einem Schätzwert unter € 1.000 sowie für Konvolute können keine zusätzlichen Fotos oder Zustandsberichte bereitgestellt werden. Alle verfügbaren Informationen finden Sie in unserem Online-Katalog.
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